Übersetzt von Klaus Neundlinger
Das Centro Sociale Leoncavallo entsteht 1975 in Mailand, im Gefolge der illegalen Besetzung einer Jahre zuvor stillgelegten und verlassenen Fabrik, die sich inmitten eines Viertels mit sozialen Wohnbauten befand. Die ersten BesetzerInnen, die eine informelle und nicht organisierte Gruppe bilden, gehören den Bewegungen der radikalen Linken Mailands an, die nach 1968 entstanden sind. Die Gruppe folgt dem Prinzip der Selbstorganisation/Selbstverwaltung, das auf der Entscheidungsmacht der Versammlung aller Mitglieder und auf der Abwesenheit interner Hierarchien beruht, aber auch auf der Aufwertung der individuellen Autonomie und der Freiheit der Einzelnen. Das Zentrum wird als eine Antwort "von unten" auf das ausgeprägte Bedürfnis nach autonomen Räumen für gemeinschaftliches Handeln, Kultur und die Organisation sozialer Dienstleistungen im Umfeld ins Leben gerufen. Von Anfang an finden deshalb – neben verschiedensten Räumen zur gemeinschaftlichen Nutzung und zur formlosen Begegnung – eine Frauenberatungsstelle, ein Kindergarten, ein Raum für Konzerte und Ausstellungen in dem Gebäude Platz. Das erklärte Ziel ist es, einen öffentlichen Raum für das Viertel und die Stadt zu schaffen, der sich außerhalb der Kontrolle des Staates und der kapitalistischen Logik des Marktes ansiedeln soll. In dieser Hinsicht nehmen die im Zentrum angebotenen Dienstleistungen und die dort durchgeführten kulturellen Aktivitäten einen klar politischen Wert an: Sie sind der Ausdruck eines universalistischen Engagements, das darauf abzielt, die sozialen Rechte konkret auszuweiten, vor allem aber das Recht auf Selbstbestimmung der Individuen in Bezug auf die Befriedigung der eigenen Bedürfnisse.
Dennoch gerät das 
                          Zentrum während der 80er Jahre in eine Krise, was eine 
                          Konsequenz des bunten Mit- und Durcheinanders an Prozessen 
                          darstellt, die die Erfahrung der Bewegungen der 70er 
                          Jahre beenden. Eine fortschreitende Selbstbezogenheit 
                          jener kollektiven Subjekte, das Aufkommen des bewaffneten 
                          Kampfes, die Ausbreitung von Drogen wie Heroin, das 
                          Zunehmen von Phänomenen der Deindustrialisierung, die 
                          mit Auflösungsprozessen innerhalb der ArbeiterInnenklasse 
                          einhergehen, sind nur einige der Elemente, die das Centro 
                          Leoncavallo zunehmend in eine Position der sozialen 
                          Marginalität drängen. Während die soziale Zusammensetzung 
                          der Gesellschaft rapiden Veränderungen unterworfen ist, 
                          findet sich das Centro sociale teilweise isoliert in 
                          einem Territorium wieder, das ihm immer feindlicher 
                          gesinnt ist. Die Privatisierung des öffentlichen Raumes 
                          geht Hand in Hand mit der polizeilichen Repression gegenüber 
                          illegalen Besetzungen, und allgemeiner gegenüber sozialen 
                          Bewegungen. Die in Teilen der öffentlichen Meinung, 
                          vor allem aber bei lokalen PolitikerInnen verbreitete 
                          Meinung, die selbstverwalteten sozialen Zentren seien 
                          eine nunmehr abgeschlossene Entwicklung und somit Überbleibsel 
                          der Vergangenheit, beginnt sich durchzusetzen. Die AktivistInnen 
                          tendieren dazu, sich in einen von der Gesellschaft getrennten 
                          Raum zurückzuziehen: Einerseits erzeugt dieses Phänomen 
                          neue innere "Schübe" in Richtung von Innovationen 
                          im Bereich der Gegenkultur und der Kunst (zum Beispiel 
                          über die Begegnung mit der Punkbewegung), andererseits 
                          jedoch verstärkt sich jene Marginalität und der Mangel 
                          an Wirksamkeit in Bezug auf das Soziale, die früher 
                          oder später wahrscheinlich die Aufgabe des Zentrums 
                          zur Folge gehabt hätten.
                          Gerade die erzwungene Räumung 
                          des Gebäudes durch die Polizei ist es jedoch, die eine 
                          Umkehr dieser Tendenzen anzeigt: Nicht nur die AktivistInnen 
                          selbst leisten Widerstand, sondern es entsteht auch 
                          innerhalb kürzester Zeit eine breite und durch alle 
                          Schichten gehende öffentliche Unterstützungsbewegung, 
                          die für den Erhalt des Zentrums auf die Straße geht. 
                          Den BesetzerInnen ist es deshalb möglich, das nach dem 
                          Angriff der Polizei von den Bulldozern teilweise zerstörte 
                          Gebäude wiederaufzubauen und (darin) die kulturellen 
                          Aktivitäten wieder aufzunehmen.
                          Die 90er Jahre beginnen also 
                          mit einer erneuten Mobilisierung zugunsten der Centri 
                          Sociali, und im Besonderen des Centro Leoncavallo, das 
                          als klares Beispiel für den Widerstand gegen die Privatisierung 
                          des Territoriums und die neoliberalen Vorstellungen 
                          von Kultur angesehen wird. Diese Unterstützung entsteht 
                          vor allem im Herzen der neuen Studierenden- und SchülerInnenbewegungen 
                          gegen die Privatisierung des öffentlichen Bildungssystems, 
                          wird aber auch von progressiven Intellektuellen getragen, 
                          die sich für die Verteidigung der öffentlichen Rolle 
                          der Kultur einsetzen – und dafür, dass dieser 
                          freie und autonome Räume in der Stadt überlassen werden.
                          Kultur und Sozialität werden 
                          immer mehr als wesentliche Bedürfnisse der Kollektivität 
                          wahrgenommen: Aus diesem Grund finden sich die Centri 
                          Sociali, gleichsam ohne dies zu beabsichtigen, im Blickpunkt 
                          des öffentlichen Interesses. Gesellschaftliche Gruppen, 
                          deren Zusammensetzung im Vergleich zu den 70er und frühen 
                          80er Jahren transversaler ist, wenden sich nun Orten 
                          wie dem Centro Leoncavallo zu, weil dies die einzigen 
                          freien und kostenlosen Räume der Begegnung und des künstlerischen 
                          Ausdrucks in der Metropole sind. Gleichzeitig wächst 
                          parallel zum fortschreitenden Abbau des Sozialstaates 
                          die Nachfrage nach sozialen Dienstleistungen von Seiten 
                          verschiedenster Sektoren der Stadtbevölkerung: MigrantInnen, 
                          Personen mit niedrigen Einkommen und Arbeitslose beginnen, 
                          die selbstverwalteten Zentren aufzusuchen, insofern 
                          es sich dabei um frei zugängliche Orte handelt, wo man 
                          warmes Essen bekommt und Rat bei der Arbeitssuche und 
                          für Behördengänge, die die Aufenthaltserlaubnis betreffen, 
                          findet.
                          Nach dem "Rückzug ins Private" 
                          der 80er Jahre stellt sich in den 90ern wieder eine 
                          Nachfrage nach öffentlichen Räumen ein, die von einem 
                          geringeren Niveau an Ideologie und einer höheren Kompetenz 
                          geprägt sind, die im Gang befindlichen sozialen Transformationen 
                          aufzunehmen und sich zu diesen in ein positives Verhältnis 
                          zu setzen. Dennoch schreitet parallel dazu die Privatisierung 
                          des urbanen Territoriums voran, mit der zunehmenden 
                          Umwandlung aufgelassener Industriegelände in Geschäfts- 
                          oder Bürozentren: Das Leoncavallo wird 1994 endgültig 
                          von seinem historischen Sitz vertrieben, und an seiner 
                          Stelle wird – symbolträchtig – eine Bank 
                          errichtet. Die BesetzerInnen antworten diesmal nicht 
                          mit aktivem Widerstand, da schon Verhandlungen mit der 
                          Stadtverwaltung über einen möglichen neuen Ort für das 
                          Zentrum im Gang sind. Dies ist ein Zeichen dafür, dass 
                          das Leoncavallo mittlerweile ein relevanter Faktor geworden 
                          ist, zu dem sich Presse und öffentliche Meinung äußern. 
                          Über das Moment des Konflikts ist es also gelungen, 
                          die öffentliche Zustimmung zu steigern, indem in der 
                          Öffentlichkeit ein Bild mit hohem symbolischem Wert 
                          konstruiert wurde, das in Krisenzeiten zu einer wesentlichen 
                          Ressource wird.
                          Da jedoch das schwierige Verhältnis 
                          zu den Institutionen keine schnelle Lösung zulässt, 
                          wird nach einigen Monaten urbanen Nomadisierens (in 
                          deren Verlauf das Kollektiv sich öffentliche Gärten, 
                          Plätze und schließlich ein verlassenes Gebäude aneignet) 
                          eine frühere Druckerei in einem am Stadtrand gelegenen 
                          Viertel besetzt. Ein weiteres Mal stellt eine Konfliktsituation 
                          eine Welle öffentlicher Zustimmung her: Eine Großdemonstration 
                          zur Unterstützung bringt die PolitikerInnen und die 
                          Polizei dazu, von einer gewaltsamen Räumung des Gebäudes 
                          abzusehen. Die BesetzerInnen bleiben also im neuen Gebäude, 
                          auch weil sich der Hauptaktionär der Eigentümergesellschaft 
                          einschaltet und sich bereit erklärt, eine rechtliche 
                          Lösung für das Zentrum zu suchen. In der relativ ruhigen 
                          Situation nach 1994 ist es den BesetzerInnen möglich, 
                          angesichts eines riesigen, neu zu entwerfenden Raumes 
                          (4000 qm überdacht, dazu Höfe, Grünflächen und 
                          Keller) die Restrukturierung der eigenen Aktivitäten 
                          anzugehen, vor allem hinsichtlich der sozialen Zusammensetzung 
                          der Gruppen, mit denen sie zu interagieren begonnen 
                          haben. In diesem Sinn fällt der Prozess der Definition 
                          des Raumes mit der Neuausrichtung von Identität und 
                          Organisation zusammen: Die neuen Gruppen, die sich dem 
                          Leoncavallo angenähert haben, und die verschiedenen 
                          sozialen und kulturellen Aktivitäten, die sich in den 
                          letzten Jahren entwickelt haben, erfordern eine adäquate 
                          räumliche Organisation.
Der tendenziell geschlossene 
                          gemeinschaftliche Raum der 80er wird auf eine viel breitere 
                          Weise wieder zum offenen und öffentlichen Raum der 70er 
                          Jahre. Die Trennwände werden abgetragen, die organisatorische 
                          Dezentralisierung schreitet voran, und all das wird 
                          an der Strukturierung des Gebäudes ersichtlich. Tatsächlich 
                          wird der breite straßenseitige Eingang, der direkt in 
                          den Hof führt, tagsüber offen gelassen, um allen freien 
                          Zugang zu ermöglichen, vor allem den Obdachlosen und 
                          MigrantInnen. Der Innenhof versteht sich gleichzeitig 
                          als Treffpunkt für das Stadtviertel. Einerseits stellt 
                          er einen geschützten Raum dar, wo die vom rechtlichen 
                          Standpunkt aus gefährdeteren Gruppen (vor allem MigrantInnen) 
                          sich ohne Angst vor der Polizei treffen können, während 
                          er sich andererseits als nach außen gerichteter öffentlicher 
                          Raum gestaltet, in dem Bars anzutreffen sind und Freiluftveranstaltungen 
                          für das Viertel und die Stadt über die Bühne gehen. 
                          Die gemeinsamen Räume im Freien unterliegen keiner formalen 
                          Kontrolle, sie sind frei zugänglich und sollen der freien 
                          Entwicklung der sozialen Beziehungen dienen sowie der 
                          direkten Interaktion der Personen, sowohl der BesetzerInnen 
                          als auch der BesucherInnen und NutzerInnen. Alle Räume 
                          werden von verschiedensten Gruppen, die in diesen kulturelle 
                          oder soziale Aktivitäten organisieren, selbst verwaltet.
                          Diese netzwerkartige Struktur 
                          wird vom Plenum zusammengehalten, das einmal pro Woche 
                          stattfindet, und, nicht ohne interne Auseinandersetzungen, 
                          über die Gesamtstrategie des Leoncavallo entscheidet. 
                          Die wesentlichen Räume des Zentrums mit den entsprechenden 
                          Aktivitäten, die der gemeinschaftlichen Nutzung dienen, 
                          sind:
-          
                          die zwei Bars, wo künstlerische 
                          und kulturelle Veranstaltungen stattfinden (Ausstellungen, 
                          Diskussionen etc.) und wo auch
  gegen den Prohibitionismus 
                          in Bezug auf weiche Drogen Position bezogen wird. Es 
                          ist dort auch für externe Gruppen möglich,
  Veranstaltungen 
                          wie Jam-Sessions und Ausstellungen durchzuführen.
                          -          
                          die Selbstbedienungsküche, 
                          die dem Publikum zu niedrigen Preisen zur Verfügung 
                          steht, wo aber auch Gratis-Essen an
  Obdachlose und MigrantInnen 
                          verteilt wird, und wo abends die AktivistInnen essen.
                          -          
                          die Sitze der vier NGOs, 
                          die dem Zentrum angehören (diese sind im soziokulturellen 
                          Sektor und in der
  Entwicklungszusammenarbeit tätig), 
                          die hofseitig gelegen sind.
- der Saal für Konzerte und Theaterproduktionen, wo gut besuchte Events zu niedrigen Preisen stattfinden.
                          -          
                          die Buchhandlung, die 
                          auch als Dokumentationszentrum und Archiv- und Konsultationsstelle 
                          für selbst produziertes Material
  fungiert.
                          -          
                          der "Kommunikationsbereich", 
                          wo sich die Verwaltung und die Informations- und Kommunikationsdienste 
                          des Zentrums
  befinden (Betreuung der Website, MigrantInnenberatung, 
                          Informationen über die Bewegung etc.)
In diesen Räumen 
                          werden im eigentlichen Sinn öffentliche Dienstleistungen 
                          ausgerichtet, mit einem klar universalistischen Ansatz: 
                          Gleichzeitig bringen es die besondere Aufmerksamkeit 
                          gegenüber den sozialen Beziehungen und das Bedachtsein 
                          auf einen direkten Kontakt mit den NutzerInnen mit sich, 
                          dass diese Dienstleistungen sich im Spannungsfeld zwischen 
                          Dynamiken sozietärer Natur (die mit den universellen 
                          Grundrechten zusammenhängen) und kommunitärem Wesen 
                          (die auf der Wechselseitigkeit und den Face-to-face-Beziehungen 
                          basieren) abspielen.
                          Im Gegensatz zur Logik des Marktes 
                          (die auf der monetarisierten Beziehung zwischen DienstleisterInnen 
                          und KundInnen beruht) und der Logik des Staates (die 
                          auf der bürokratischen Beziehung zwischen Versorgenden 
                          und Versorgten gründet), ist die Logik der im Leoncavallo 
                          angebotenen Dienstleistungen auf die Grundrechte ausgerichtet: 
                          Über die Dienstleistungen werden die BürgerInnen hinsichtlich 
                          politischer und kultureller Inhalte aktiv, hinsichtlich 
                          ihrer Rechte und der Befriedigung sozialer Bedürfnisse. 
                          In diesem Sinn sind die Beziehungen öffentlicher Natur 
                          und daran orientiert, die Einzelnen aufzuwerten, und 
                          zwar über die Anerkennung ihrer individuellen Autonomie 
                          und über ihre "Ermächtigung".
Die Bereitstellung 
                          dieser Dienstleistungen universellen Charakters mit 
                          konkreten, lokalen Auswirkungen aktiviert darüber hinaus 
                          die wirtschaftliche und die Beschäftigungsdynamik, die 
                          das Leoncavallo zu einer Art Non-Profit-Unternehmen 
                          machen. Tatsächlich ermöglichen es die Aktivitäten des 
                          Zentrums, ca. 40 AktivistInnen zu entlohnen (von denen 
                          viele MigrantInnen sind), und zwar dank der Einnahmen, 
                          die sich aus einer jährlichen BesucherInnenzahl von 
                          etwa 100.000 Menschen ergeben.
                          Im Ganzen stellt sich das Centro 
                          Sociale also als ein Netzwerk von Subjekten, Individuen 
                          und Gruppen dar, die in einem physischen multidimensionalen 
                          Raum interagieren, von dem aus sie sich zur Welt "draußen" 
                          in verschiedenste Verhältnisse setzen: Die Mittel, um 
                          diese Verhältnisse herzustellen, bestehen aus den angebotenen 
                          Dienstleistungen, den vielfältigen Kommunikationsformen, 
                          den politischen und kulturellen Veranstaltungen und 
                          den persönlichen Beziehungen. Die räumliche und relationale 
                          Organisation des Leoncavallo beruht auf diese Weise 
                          auf einer permanenten Spannung zwischen dem Fließen 
                          und dem Informellen, wie sie für die sozialen Bewegungen 
                          typisch sind, und der Notwendigkeit der Strukturierung 
                          und der Institutionalisierung, die mit den Dimensionen 
                          und der Komplexität eines mittlerweile hoch entwickelten 
                          sozialen Akteurs verbunden sind.
                          Die typischen Modalitäten der 
                          Selbstorganisation, also die Horizontalität, die Abwesenheit 
                          formaler Hierarchien und der Mangel an Spezifizität 
                          der Rollen innerhalb der Organisation geraten daher 
                          oft in Konflikt mit dem Bedürfnis nach einer besseren 
                          Strukturierung, das sich aus dem Anwachsen des Zentrums 
                          ergibt. Dieser Schub in Richtung einer Institutionalisierung 
                          wird durch die jüngsten Ereignisse, die das Leoncavallo 
                          betreffen, verdeutlicht. Da man nach 10 Jahren illegaler 
                          Besetzung keine Einigung mit den Eigentümern erreicht 
                          hat, ist das Zentrum erneut von der Räumung bedroht. 
                          Es ist also nunmehr nötig, eine Strategie zu entwickeln, 
                          die den Gründungsgedanken des Leoncavallo mit der Anpassung 
                          an die äußeren Bedingungen in Einklang bringt, welche 
                          durch die politische und ökonomische Macht der Stadt 
                          repräsentiert sind. Diese Anpassung darf natürlich weder 
                          die dem Zentrum eigenen Aktivitäten beeinträchtigen, 
                          noch zu einer Unterwerfung unter die Logiken des Marktes 
                          und der Bürokratie führen. In dieser Richtung ist eine 
                          öffentliche Kampagne angelaufen, die dazu dient, finanzielle 
                          Mittel für die Gründung einer Stiftung aufzustellen, 
                          die sowohl Miete also auch Betriebskosten des Gebäudes 
                          übernehmen soll, da das Zentrum nie öffentliche oder 
                          private Förderungen erhalten hat. Die öffentliche Dimension 
                          dieser Kampagne wird auch dadurch unterstrichen, dass 
                          das UnterstützerInnenkomitee aus Intellektuellen, KünstlerInnen 
                          und PolitikerInnen besteht, die nicht direkt mit dem 
                          Leoncavallo in Verbindung stehen, sondern ein Interesse 
                          daran haben, diesen von der Schließung bedrohten öffentlichen 
                          Raum zu verteidigen.
Ausgehend von der Geschichte und der Entwicklung einer konkreten Realität können wir behaupten, dass der bislang vorgestellte Weg des Leoncavallo einige Schlüsselelemente des Diskurses über öffentliche Räume erhellt. Kurz zusammengefasst, handelt es sich dabei um folgende Punkte:
-          
                          der 
                          physische Raum, der eine 
                          äußerst wichtige Bedingung für die Entwicklung kollektiver 
                          Identitäten und sozialen Handelns
  darstellt, ausgehend 
                          von der gegenseitigen Anerkennung der Subjekte in seinem 
                          Inneren. Es ist ein symbolischer und
  konkreter Rahmen 
                          für die internen Gemeinschaften, aber auch für die "externe" 
                          Gesellschaft, und stellt die reale Möglichkeit
  für das 
                          Territorium dar, öffentlich zu werden.
                          -          
                          die 
                          Nähe, also die physische 
                          Nachbarschaft, die die Entwicklung der Gemeinschaften, 
                          der Face-to-face-Beziehungen und des
  intersubjektiven 
                          Vertrauens ermöglicht. Diese Nähe dient als Kanal, um 
                          die öffentliche Sphäre in das System der Beziehungen
  einfließen zu lassen, um den prinzipiellen Universalismus 
                          in Gegenseitigkeit und in Anerkennung innerhalb eines
  gemeinsamen Horizonts zu verwandeln.
                          -          
                          die 
                          Teilhabe über die Selbstorganisation, 
                          das heißt, die Öffnung der Organisation und des Raumes 
                          für individuelle und kollektive
  Subjekte "von außen". 
                          Die Selbstverwaltung stellt in der Tat das Mittel dar, 
                          um alle potenziell Interessierten einzuschließen,
  indem 
                          ein tendenziell egalitärer und informeller Organisationsmechanismus 
                          geschaffen wird.
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                          der 
                          Universalismus, das heißt, 
                          die Nutzung des Raumes und der darin angebotenen Dienstleistungen, 
                          die sich an die ganze
  Gesellschaft richten, gemäß einer 
                          Logik der garantierten universellen Rechte, und nicht 
                          gemäß einer Logik der Hilfestellung
  und des Verkaufens.
                          -          
                          die 
                          Autonomie, das heißt, die 
                          Unabhängigkeit des Raums und der Organisation von anderen 
                          politischen und ökonomischen
  Organismen.
Wie immer der Prozess der teilweisen Institutionalisierung des Leoncavallo ausgehen wird, seine Entwicklung zeigt, dass die Behauptung und Verteidigung der öffentlichen Räume in einer Metropole den Rückgriff auf Momente der Auseinandersetzung erfordert, über die eine breitere gesellschaftliche Zustimmung zu erreichen ist. Der reale öffentliche Raum scheint sich also dadurch auszuzeichnen, dass er ein umkämpftes Territorium ist, das immer Gefahr läuft, privatisiert oder der bürokratischen Kontrolle unterworfen zu werden. Ein symbolisches, identitäres und vielschichtiges Territorium, auf dem sich die soziale Sphäre mit der politischen, kulturellen und auch der ökonomischen überschneidet. Ein Raum, in dem sich diese Elemente immer wieder neu zusammensetzen, innerhalb vielfältiger und zerbrechlicher Gemeinschaften, in ständiger Dialektik mit einer immer globaleren Gesellschaft. Ein öffentlicher Raum der Nähe also, wo der Diskurs über das kollektive Gut in den alltäglichen sozialen Praktiken verwurzelt ist, in einem gemeinsamen materialen Raum mit dessen vielfältigen Bedeutungen.