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07 07 07

theatrum posse in Heiligendamm: Rebel Clown Army, Superhelden und 5-Finger-Spielsysteme

Gini Müller

Das theatrum posse startete in Heiligendamm 2007 mit einem militanten Anfangsszenario, das die Feindbilder zunächst medial einbetonierte, doch im Verlauf der Aktionswoche wurden Protest und Widerstand performativ subversiver mit dem eigenen Körper in Szene gesetzt. Auch wenn die mediale Berichterstattung vorübergehend Inhalte und andere Protestformen überschattete, so setzten sich vor Ort und spätestens mit den erfolgreichen Blockade-Taktiken die „Fünf Finger-Posse-AkteurInnen“ durch, die nicht dem Medien-Hype gefolgt waren und ihre eigenen Posen des Widerstands im Spiel um symbolische Grenzüberschreitung nicht nur im medialen Bilderkampf nutzen konnten.

In Heiligendamm gab es unübersehbare Bandbreite von karnevalesken, queeren und theatralen Praktiken des Widerstands, die sich mehr als zuvor, sowohl in polizeiliche, aber zum Teil auch in eigene Kampfrituale einmischte.

In den drei AktivistInnen-Camps, die sich um Heiligendamm herum gruppierten, sammelten sich jeweils bis zu 5000 Menschen aus den verschiedensten Ländern, die sich in unterschiedlichen „Barrios“ (Vierteln) und auf Delegierten- und Gruppenplena basis-demokratisch organisierten und Verbindungen schufen, Aktionen vorbereiteten, Medienarbeit, genauso wie Putztrupps und Kochhilfe leisteten und gemeinsam zu Demonstrationen und zu Blockaden aufbrachen. Im Vorfeld wurde schnell die nötigste Infrastruktur für eine Woche des Zusammenlebens von freiwilligen Helfern gebaut und Spenden finanzierten die eingerichteten Volxküchen und Dixie-Klos. Großplena fanden zum Teil in Zirkuszelten statt und freiwillige „Rabbits“ waren bei Organisation, Vermittlung, und als Camp-Helfer schnell zu Hand. Die Vielfalt der globalisierungskritischen Bewegung und ihrer Anliegen waren auch in den Camps sichtbar: Attac-AktivistInnen zelteten hier genauso, wie Autonome, GewerkschafterInnen, linke ParteigängerInnen, anti-Rassistische und anti-sexistische Gruppierungen, MigrantInnen oder auch die „Hedonisten“[1], die gleich bei ihrer Ankunft ein erweitertes Areal eines Camp besetzten und nach bzw. während dem Aktivismus coole Sounds aufboten. Sie machten in dem theatrum posse auf das Recht Spaß mit Politik zu verbinden in Manifesten aufmerksam. „Queers against G8“[2] nannte sich ein eigenes „Barrio“, von dem aus sich „Pink“-AktivistInnen, Samba Bands und Clowns formierten. In diesem, wie auch im „Frauen-, Lesben, Transgender Barrio“ wurde einerseits genetzwerkt und für interventionistische „Auftritte“ geprobt, andererseits wurden auch auf den Camps selber Genderthemen offensiv diskutiert und sexistisches Verhalten angegriffen.

Neben den Camps organisierten sich die verschiedenen „Another world is possible“-Aktionsgruppen auch in von der Stadt zu Verfügung gestellten Schulen und Plätzen. NGOs wie „Greenpeace“ und „Ärtze ohne Grenzen“ hatten Boote im Hafen aufgestellt, wo auch das Konzert- und Partyschiff „Stubnitz“ AktivistInnen an Bord willkommen hieß. AktivistInnen von Greenpeace versuchten dann auch mit Booten und einem Ballon in die Sperrzone zu gelangen, was spektakuläre Verfolgungsjagden zu See und in der Luft nach sich zog. Einige Künstler- und AktivistInnen hatten für ihr „Art goes Heiligendamm“-Projekt auf einem Gelände am Rostocker Hafen den Tagungsort als künstlerische Kleininstallation aufgebaut. Die sogenannte „Silver Pearl“ beherbergte eine Menge an kreativen und politischen Menschen, die auf eigene Diskursvermittlung, performative Praktiken und Medienarbeit setzten,[3] aber damit auch eine seltsame Distanz zu den BasisaktivistInnen schufen. Beiträge und Diskussionen von AktivistInnen und KünstlerInnen wechselten sich über die Tage mit Performances und Filmscreenings ab. Im Netz konnte man/frau Geschehnisse und inhaltlichen Austausch mitverfolgen, oder das vor Ort produzierte „kein.tv“[4] anschauen. Mediale und auch einige theatrale Aktionen nahmen von dort ihren Ausgang und verbanden sich mit anderen Protestformen.

Die Gelage und temporären, autonomen Zonen in Umgebung des Zauns erwiesen sich besonders in den Blockadetagen als Ausgangsbasis zum konzertierten Eindringen in die Demonstrations-Verbotszonen und für symbolische Blockaden aller Zufahrtsstraßen zum Gipfeltreffen. Am Tag der Ankunft der internationalen Politiker und des Wirtschafts- und Delegiertentrosses, setzten sich von den Camps, aus unterschiedlichen Himmelsrichtungen kommend, tausende AktivistInnen in Gruppen und Menschenschlangen Richtung Sicherheitszaun in Bewegung. Über Wiesen und Felder schwärmten die Posse-SpielerInnen aus, fanden vor Polizeiblockaden zusammen und öffneten sich zu „Fünf Fingern“, die die Polizeigrenzen überwinden konnten. So wurden für einige Zeit sämtliche Zufahrtsstraßen und die Eisenbahnlinie „Molli“, die nach Heiligendamm führen, blockiert und in diesem Grenzspiel ein symbolischen Erfolg errungen. Sonnige Bilder von bunten Menschen, zum Teil mit Regenschirmen, in Mohnfeldern, im Hintergrund eine Attacke des Wasserwerfers, daneben martialische, anonyme Robocops -; die Menge der ProtagonistInnen subvertierten fröhlich die staatliche Ordnungsmacht durch Macht der Performativität und Bilder.

Militante Spassguerillagruppen gaben bei den Blockaden und vielen Demonstrationen den Ton an. Die „Hedonisten“, die „Überflüssigen“, „der nackte Block“, oder auch die „Superhelden“  verlasen und propagierten während der Demonstrationszüge politische Manifeste, spendeten der Menge orgiastische Musik oder verschenkten Superhelden-Kostüme.

Die „Rebel Clown Army“ hatte in Vorbereitungen und Umfeld der Aktionstage bis zu 500 Clowns „rekrutiert“, die das spezielle Anliegen in dem Zirkus verfolgten, Polizei und AktivistInnen zum Lachen zu bringen.  Gegen das Vermummungsverbot setzte man/frau auf die Clown-Fratze, mit Perücke, roter Nase und viel Schminke. Wenn mit Knüppeln und Tränengas bewaffnete Polizeireihen und martialische Eingreiftrupps auftauchten, rannten meist ein paar Clowns mit Spritzpistolen und Confetti tapfer zu den potenziellen Angreifern, und zeigten ein dilettantisches Kunststück oder posierten mit ihnen für schöne Pressefotos. Bei AktivistInnen und Medien waren sie „beliebt“ und gern gesehen, denn ihr karnevaleskes Über-Treiben stellte die Staatsgewalt in bestimmten Momenten nicht nur ironisch bloß, sondern eröffnete bestimmte Räume für eine andere Wahnehmung von Aktionsformen. Der Polizei gefiel das auf die Dauer gar nicht, denn die problemlose Grenzüberschreitung und lachhafte Militanz der Clowns in den polizeilichen Raum subvertierte ihren geschlossenen Machtblock:

Die Meldung wird kolportiert, Mitglieder der "Rebel Clowns Army" hätten eine "unbekannte chemische Flüssigkeit" auf Beamte gespritzt. 8 Polizisten wären im Krankenhaus behandelt worden. Die Anschuldigung wurde zunächst von Presseagenturen und vielen Medien aufgegriffen und verbreitet. Trotz der Absurdität und Haltlosigkeit wird die Meldung später von der Polizei weder korrigiert noch zurückgenommen. Es waren Seifenblasen aus bunten Spritzpistolen, die die Polizei für so gefährlich einstufte, dass sie mehrere rebellische Clowns auch wiederholt verhaftete und angriff. Doch die „Rebel Clown Army“ war in diesem Szenario auch nicht der Verlierer, ihre „Narrenposition“, die in Genua 2001 oder Prag 2000 vor allem der Pink-Block inne hatte,  pervertierte jedenfalls machistisches Kampfgehabe und performierte trotzdem offensiv innerhalb der Grenzzonen von normativ ablaufenden Auseinandersetzungsszenarien. Trotzdem vermochten auch die Clowns nur kleine symbolische Grenzen und Verbote zu überwinden. Denn die Strategie des Karnevalesken löste auch in Heiligendamm nicht den Hochsicherheitszaun auf, aber aufmunternde Bilder mit Anleitung zur Selbstermächtigung zum militanten Clown blieben.


Gin Müller

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